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Westinghouse

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Der Hilferuf der zaristischen Regierung erfolgte kurz vor Weihnachten 1914:

Im Angesicht der drohenden Niederlage an der westlichen Front des russischen Reiches, und in dem Bewußtsein, dieses ausschließlich durch moderne Ausrüstung seiner Armeen mit ausreichenden Mengen an Drei-Linien-Gewehren aufhalten zu können, sah sich der Generalstab gezwungen, Alternativen zu den heimischen Produktionsstätten zu suchen.

Denn diese waren ohnehin schon an ihrer Leistungsgrenze, und jeder wußte:
Hier ging es um hunderttausende von Stückzahlen bei gleichbleibender Qualität !

Was lag in solch einer Situation näher, als den neuen Verbündeten England als Gegenpol des Deutschen Reiches und zudem Heimat mächtiger Finanzkreise (denn das verfügbare Geld war auch noch knapp) zu befragen.

Die Lösung kam prompt: Britanniens Regierung vermittelte einen ersten Produktionsauftrag in die VSA. Die "glücklich" ausgewählte Firma sollte die "Westinghouse Electric & Manufacturing Company" sein. Dummerweise konnte die Geschäftsleitung des Konzerns dieses Glück zunächst nicht richtig nachvollziehen .........

Was aber zählt schon das Management eines großen Konzerns, wenn es um "höherwertige Interessen" geht. Im Verlauf weniger Monate gelang es den politischen Eliten der VSA die Verantwortlichen umzustimmen.....



Kapitalkräftig
:

Ausschnitt aus einer gängigen (
common)
Aktie von Westinghouse aus jener Zeit


Dabei handelte es sich hierbei
nicht um irgendeine Firma: Westinghouse war zu jener Zeit zusammen mit Edison´s "General Elektric" der größte Anbieter auf dem Gebiet von Turbinen, Großtransformatoren, E-Motoren und Folgemontagen auf der ganzen Welt !

Der Konzern konnte sich die Beschäftigung herausragender Entwickler leisten, einer von ihnen war
Nikola Tesla ! Selbst bis in unsere Tage ist Westinghouse in sehr vielen Marktbereichen noch ein Schwergewicht (vom Kraftwerkszubehör über Industriemotoren bis hin zum Ventilator des Autors), konnte sich nicht zuletzt durch Qualität gegen asiatische Konkurrenzen nachdrücklich behaupten.

(Kleine Spitze des Autors: Fast die gesamte Performance sowie sicherheitsrelavante Elemente der Periherie vom AKW Fukushima stammen übrigens vom immer noch existierenden Mitbewerber "General Elekric")


Von der Wirtschaftsmacht und den damit verbundenen Möglichkeiten her gesehen war also Westinghouse geradezu ideal, immerhin stand dieser Konzern aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte in dem Ruf, äußerst flexibel zu sein ...

Dies stellte das Unternehmen, nunmehr durch die "Politik" einmal gefordert,
auch in Bezug auf unsere Waffenfamilie nachdrücklich unter Beweis:


Schnell war ein Areal ausreichender Größe in Springfield / Massachusets, direkt in Nachbarschaft der alteingeführten "Springfield Armory" erworben und... Fachkräfte in ausreichender Zahl abgeworben. Unter Einbringung eigener Organisationsstrukturen und bewährtem logistischen "Weiß Wie" (know how) lies sich so das extra für diesen Auftrag gegründete Tochterunternehmen "NEW ENGLAND WESTINGHOUSE COMPANY" in Rekordzeit aufbauen.


Exkurs: Britischer Bündnistransform

Fast unbekannt:

Diese Insel in der Nordsee, war von 1807 bis 1890 britische Kolonie !!!

Sie war auch
nach dem offiziellen Ende des II. Weltkrieges weiter Ziel von Bombern der RAF.
Erst privater Einsatz von Helgoländern (wohlgemerkt: nicht der deutschen Bundesregierung!!!) führte 1952 zur "Entlassung" aus diesem Mißbrauch.

Weiter oben wurde von einer schon länger andauernden Vorbereitung der britischen Hilfeleistungen in Form von Finanzgarantien geschrieben.

Um dies zu verdeutlichen, muß hier die grundsätzliche Neuorientierung der Außenpolitik des Inselreiches erklärt werden:

Eigentlicher Auslöser war der "Tirpitz-Plan", die Flottengesetze des Deutschen Kaiserreiches nach 1898. Sie strebten zum Einen eine Besserstellung Deutschlands gegenüber der Meeresmacht Britannia "rule the waves" nicht zuletzt im Hinblick auf die Sicherheit der gewinnträchtigen Kolonien an. Zum Anderen drückten sie auch die Hoffnung aus, eine hegemoniale Verbindung mit eben jener Macht zu erreichen. Die Geschichte sang jedoch als Antwort Britannia "waves the rules", London paktierte mit Frankreich und (Vormacht in Asien!) Japan.

Gleichzeitig bot sich geopolitisch, will heißen STRATEGISCH, zu jener Zeit auch das Zarenreich an, welches, genährt durch die KuK-freundliche Vermittlerrolle Bismarcks in den Balkankonflikten, mehr und mehr von seiner alten Zuneigung zum Deutschen Reich abrückte (Stichwort "Ohrfeigenbrief" von Zar Alexander II an Kaiser Wilhelm II !!) .

Als dann, im Nachgang der Niederlage des bislang mächtigen Rußlands im Krieg gegen Japan (
Port Arthur, 1905) die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn (natürlicher Partner Deutschlands) große Gebiete auf dem Balkan (eben im Nahbereich des Zaren) annektierte, sah Großbritannien seine kontinentalen Interessen bedroht. Es folgte 1907 die "Triple Entente", ein festes Bündnis der "Wellenbeherrscher" mit Frankreich und Rußland.
Die Strategen wie auch die Ökonomen Englands und Deutschlands jener Zeit waren sich spätestens ab diesem Zeitpunkt mit Sicherheit in einer Sache einig:

Ein klärender Konflikt zwischen beiden Industrienationen würde nicht mehr zu vermeiden sein !!!

Schon kurz darauf (1910) reagierten erste Unterhändler Englands mit Verhandlungen zur Sicherstellung der "Handlungsfähigkeit des großen Zarenreiches", ...sie boten Kredite der
Bank von England gegen handfeste Sicherheiten für den Fall eines Krieges an.

Oben:

Kolonie des Deutschen Reiches, 1914 durch Japan besetzt

Links:

Eine andere
Blaue Mauritius,
bis 1968 britische Kolonie

Exkursende



Als wir in der Einleitung einen Wirtschaftskrimi erwähnten, so bezog sich das vor Allem auf den Umgang der beteiligten Parteien untereinander.

Stellen Sie sich einfach einmal vor, Sie sind plötzlich gezwungen, ein Auto zu kaufen. Das "alte" ist hin- aber Sie müssen täglich zur Arbeit fahren. Akut fehlt Ihnen das Geld, jedoch sind Sie kreditwürdig...
Also (auch wenn´s weh tut) : Auf zum Händler, Kauf mit einem Kreditvertrag tätigen, weiter geht´s....
Somit besäßen Sie wieder ein Fahrzeug, eine Bank ist jedoch der Eigentümer (bitter, aber noch zu stemmen).

Sollte dann am neuen Vehikel etwas nicht in Ordnung sein, so wäre der Händler naturgemäß Ihr Ansprech- (weil: Vertrags-) partner.

Was aber würden Sie empfinden, wenn sich ausgerechnet das Kreditinstitut sich aufgrund von unbekannten Vereinbarungen im Hintergrund als allein-anzusprechende Instanz in dieses Geschehen einschaltet? Beispielsweise mit der Entscheidungskompetenz, ob eine defekte Wasserpumpe ausgetauscht werden muß, kann oder darf ...

Unmöglich, geht nicht ? - Doch, genau in dieser Weise waren die Dokumente mit Westinghouse abgefasst worden !

Und so lief das Ganze ab:


A
) Britannien gewährt Rußland Kredite und erhält den Auftrag, Kriegsmaterial auf dessen Rechnung zu beschaffen. Es bevollmächtigt eine amerikanische Firma (J.P. Morgan !) zu Lieferverrägen mit der "Westinghouse Electric & Manufacturing Comp." (Mai 1915)

B) Diese beauftragt ihre Tochter "New England Westinghouse" mit der Produktion der Drei-Linien Gewehre für, wie sie glaubt, Seine Majestät Regierung. Tags darauf verweist London jedoch auf den wahren Abnehmer, auch die Bezahlung sei an Rußland abgetreten worden !

Aber : Die Inselregierung beharrt auf ihrer Vermittlerrolle, sieht sich weiter

als alleiniger Ansprechpartner


C) Das Zarenreich schickt erste Pläne zur Herstellung von Waffenteilen. Diese erweisen sich als ungenügend, Rückfragen laufen mit dem Verweis auf den ursprüglichen Vertragspartner in´s Leere.

Weil aber auch maßhaltige Lehren nicht gestellt wurden
, beginnt Westinghouse mit mühseligen Eigenbauten...(Juni-September 1915)

D) Als der Liefertermin (Anfang 1916) gefährlich nahe rückte, erschien eine russische Kommission zur Abnahme der Waffen. Diese erwies sich jedoch als völlig inkompetent, unkooperativ, sprach kein Englisch und zeigte sich auch sonst höchst nur unregelmäßig am Arbeitsort in Springfield (ab Januar 1916). Derartige "Experten" hatten dort jedoch auch vorher schon sporadisch für Unruhe gesorgt...

E) In jenen Tagen waren auch erste Vergleiche der amerikanischen "Prototypen" mit Produkten aus Tula möglich. Ergebnis: Die geforderte Austauschbarkeit der Teile untereinander war nicht gegeben !!!

Trotzdem ignorierten die Russen zunächst das Drängen von Westinghouse auf korrekte Pläne und vernünftige Lehren


F) Da der offizielle Partner immer noch Britannien war, sah sich Westinghouse gezwungen, bei dessen Agenten J.P.Morgan mehrfach gegen die Liefertermine zu protestieren. Selbst eine erste Anlieferung von vollständigen Lehren aus dem Mutterland der Mosins im Oktober 1916 führte zu keiner Verbesserung. Die Geräte waren schlicht gammelig, somit unbrauchbar. Aus diesem Grund geriet der Produzent immer weiter in Rückstand.

Hierauf verschärfte sich der Ton der Parteien untereinander,
schlimmer noch: Seine Majestät Regierung beharrte Anfang des Folgejahres auf exakter Vertragserfüllung bis zum 31. März 1917.

Genau in dieser Zeit, nämlich am 8. März 1917, beendete eine Revolution in Rußland die Herrschaft des Zaren Nikolaus II. Westinghouses eigentlicher Kunde stand nicht mehr zur Verfügung, eine völlige Projektpleite unmittelbar bevor !





Bemerkenswert ist im Nachhinein folgende Tatsache:

So hatte Rußland, als der eigentliche Auftraggeber, zu keiner Zeit direkten Kontakt zur ausführenden Firma Westinghouse. Einzige Ausnahme: Die Entsendung jener inkompetenten Komission, welche zudem sämtliche dringenden Rückfragen des Produzenten unbeantwortet ließ, bzw. nie an die Fachleute in Tula und Ishevsk weiterleitete !

Hinzu kam, daß der Mutterkonzern erst nach Vertragsabschluß erfuhr, wer der eigentliche Empfänger / Auftraggeber für die Drei-Linien Gewehre sein sollte !


Rückblickend bleiben bei diesem Geschäft zwei Verlierer auf der Strecke:

Da war das militärisch bedrohte Zarenreich, welches dringend benötigtes und im Voraus teuer bezahltes Kriegsgerät NIE erhielt.

Und da war die "New England Westinghouse", welche diesen Verlauf mit Verlusten von etwa 5 Mio. Dollar bezahlte (damals war diese Währung noch nicht künstlich, sondern durch GOLD gedeckt !!!).

Als historischer Gewinner stand am Ende die Bank von England da. Immerhin heimste sie den Gegenwert von fast 1 Mio. beauftragten Gewehren zu 2/3 in krisensicherem Gold schon im Voraus aus dem russischen Staatsschatz ein !!!




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